29. Mai 2017
Windkraftwerke und Solaranlagen braucht man nicht zu verstecken – aber...
Stefan Kurath
Inhaber urbaNplus GmbH und Leitung Institut Urban Landscape, ZHAW
CARTE BLANCHE

Der Widerstand und die Skepsis vieler Architektinnen und Architekten gegenüber Windkraftanlagen und Solaranlagen gilt nicht der Energiewende, als vielmehr der Konzept- und Gedankenlosigkeit im Umgang mit den neuen Technologien. Der bedauernswerte Zustand unserer Kulturlandschaften kann nicht Argument dafür sein, dass ein Windkraftwerk oder eine Solaranlage mehr oder weniger keine Rolle mehr spielt. Eine Replik auf den Beitrag von Guido Honegger.

Es genügt nicht, Windkraftwerke beliebig in die Landschaft zu stellen und Solaranlagen auf Dach und Wand zu kleben. Es kommt nicht gut, wenn «die Interdisziplinarität der Nachhaltigkeit» (was auch immer Herr Honegger in seinem Blog Beitrag damit meint) gegen Baukunst ausgespielt wird – im Gegenteil: Das Erstere bedingt geradezu das Zweite.

Ja. Staumauern sind heute bedeutender Bestandteil unserer Kulturlandschaften. Sie sind Zeugen der Bauingenieurskunst. Sie sind Ausdruck einer intensiven Auseinandersetzung mit Topografie, Wasserdruck, Beton und damit von Kontext – und das oftmals unter Einsatz von Leib und Leben. Der Staumauerbau musste alleine deshalb bis in den letzten Winkel durchdacht sein. Windkraftwerke und Solaranlagen hingegen werden heutzutage quasi fabrikfertig an einen mehr oder weniger zufällig gewählten Standort gekarrt, aufgestellt und aufgeklebt. Im Gegensatz zum Staumauerbau ein Kinderspiel – mit langfristig gravierenden Folgen.

Denn – kaum jemand beschäftigt sich mit dem Wechselspiel dieser neuen Technologien mit Struktur, Form und Gestalt von Architektur und Kulturlandschaften. Ästhetik ist dabei nicht etwa ein den Gemütslagen der Architektinnen und Architekten ausgeliefertes Schlagwort, sondern meint eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und Kultur der Architektur, Stadt und Gesellschaft. Diese Auseinandersetzung gibt Hinweise, wie zukünftige Architekturen und Kulturlandschaften im Kontext zivilisatorischer Errungenschaften aussehen sollten – mit dem Ziel, die Kulturgeschichte fortzuschreiben. Nicht ohne Grund gilt Architektur als Kulturtechnik, die nicht einzelne Probleme zu lösen, sondern ganzheitliche Zusammenhänge zu schaffen versucht. Architektur meint nicht das «blosse» Zeichnen von Plänen oder das rumstolzieren in schwarzer Kleidung, sondern insbesondere eine intellektuelle Leistung. Etwas, das leider immer weniger in Anspruch genommen wird.

Unter diesen Prämissen sind wir im Umgang mit diesen neuen Technologien weit weg von «vers une architecture solaire» oder «vers un urbanisme culturel». Der momentane Stand der Dinge liegt bei «vers une architecture banale».

Damit wir hier einen Schritt weiterkommen, braucht es nicht nur Architektinnen und Architekten, die sich dem Thema vermehrt annehmen, sondern vor allem die Unterstützung und Bereitschaft der Gesellschaft, nicht das «Erstbeste» – sondern das «Beste» anzustreben, um unseren Kulturlandschaften und Gebäuden (wieder) Kontur zu verleihen. Denn – Kultur bedingt Widerstand bedingt Architektur!

Bildlegende: Forschungsprojekt «Windenergie in der urbanisierten Landschaft» der Forscherinnen Anke Domschky und Nina Sommer am Institut Urban Landscape der ZHAW. Lineare Anordnungen von Windkraftanlagen entlang bestehender Infrastrukturen. Foto: Christian Schwager.

KOMMENTARE (2)
  • Stefan Kurath 01.06.2017, 16:58

    korrekt. das steht in dem satz drin: "... braucht es nicht nur Architektinnen und Architekten, die sich dem Thema vermehrt annehmen, sondern vor allem die Unterstützung und Bereitschaft der Gesellschaft..." das meint: es braucht den "politischen architekten" aber gleichzeitig muss man sich auch bewusst sein: "kein architekt handelt alleine" weshalb er auf "die gesellschaft" angewiesen ist, welche das anliegen unterstützt. heisst es muss auch gelingen mehrheiten zu finden. und gerade das ist bei dem aktuellen allgemeinen desinteresse gegenüber kulturellen errungenschaften die grosse herausforderung.

  • Michel Aebi 01.06.2017, 9:23

    Stefan Kurt hat zweifellos recht mit seiner Replik. Allerdings bleibt er mit seinem Appel an die Gesellschaft zu unverbindlich. Wer fühlt sich sich dadurch schon angesprochen? Vielmehr sollten ganzheitlich denkende Architekten endlich sich und ihr Wissen aktiv in unser politisches Milizsystem einbringen indem sie Mandate auf kommunaler , kantonaler und auch nationaler Ebene übernehmen. In den politischen Gremien (dort werden Strategien entwickelt und Handlungsempfehlungen beschlossen) fehlt das Verständnis über den besagten Umgang mit Kulturlandschaften aber auch zu raumplanerischen Themen, zum Städtebau und generell zur Architektur. Oder gibt es irgendwo einen Nationalrat oder Kantonsrat mit diesen Kompetenzen? Ich kenne keinen.

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