1. Dezember 2016
Tomatensuppen-Rezept für das Energiesystem
Marianne Zünd
Leiterin Medien + Politik Bundesamt für Energie
CARTE BLANCHE

Neulich hat es mich mal wieder so richtig erwischt. Eine schlimme Erkältung mit zünftig Schnupfen und Husten. Eine Woche hatte ich bereits vor mich hingetrieft, dann kam noch Fieber dazu. Fieber merke ich jeweils durch einen «schturmen» Kopf und vor allem, indem ich plötzlich Lust auf Tomatensuppe habe. Das hatte ich schon als Kind. Kennen Sie das auch?

Mein Körper signalisiert mir, was er gerade braucht und bei mir ist das im Fieberfall halt Tomatensuppe. Keine Ahnung warum. Unser Körper ist ein komplexes organisches System, das von Medizin und Wissenschaft erst relativ grob verstanden wird. Wechselwirkungen, die Koordination des zentralen mit dem vegetativen Nervensystem und die gegenseitige Beeinflussung von Psyche und Körper kennt man erst in Ansätzen. Ein organisches System ist also ein Wunderding, das meist von selbst funktioniert, sich eigenständig regeneriert und dafür sorgt, dass es bekommt, was es dazu braucht. Eben Tomatensuppe bei Fieber.

Unsere Energieversorgung entwickelt sich langsam aber zielstrebig in Richtung eines organischen Systems, das sich selbst steuern, neu einstellen, reparieren, abstellen und wieder hochfahren kann. Ganz ohne dass ein Techniker es mit dem Stethoskop abhören muss. Doch das ist eine Entwicklung, die Zeit braucht und die vor allem im System geschehen muss. Es ist daher müssig, wenn wir uns heute über das Tempo des Zubaus von Photovoltaik oder Windanlagen streiten – das ist der kleinste Teil des Problems. Zumal sich Materialien und Technik so entwickeln, dass so eine Photovoltaik-Anlage künftig in zwei Stunden montiert und angeschlossen ist. Viel bedeutender ist, dass Strom in einigen Jahrzehnten möglicherweise gar keinen Preis mehr hat, weil jeder und alles Strom produziert. Das Netz wird dann nur noch als Versicherung, als Rückgrat oder zentrales Nervensystem genutzt.

Unsere Häuser, unser Quartier, unser Dorf werden den benötigten Strom selbst produzieren und die übrigen Energiedienstleistungen wie Wärme, Kälte, Energierückgewinnung oder Reserveenergie von einem Energie-Hub beziehen. Sie sehen die Komplexität eines solchen Systems. Was braucht es dafür für Gesetze? Wie wird abgerechnet? Wer muss wem etwas bezahlen? Für was und zu welchem Tarif? Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas kaputt geht oder repariert werden muss? Wie werden neue Teilnehmer, Anlagen und Technologien in einen Energie-Hub integriert?

Diesen Fragen gehen unter anderen die Empa mit ihrem Innovationsgebäude Nest oder die Hochschule Luzern – Technik & Architektur nach. Und viele andere Forschungsteams in der Schweiz beschäftigen sich ebenfalls mit solchen «organischen» Energiefragen und dem Tomatensuppenrezept für die smarten Energiesysteme der Zukunft.

KOMMENTARE (1)
  • Philippe Huber 15.12.2016, 8:35

    Das ist eine wunderbare Vorstellung. In Zukunft werden wir immer wieder die Kerzen anzünden müssen, weil der Strom ausgefallen ist! so sieht ein Mitglied der GL vom BFE unsere Stromzukunft ...

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