Neulich traf ich einen Umweltschützer, der meinte, er wäre schon für die Energiestrategie 2050, wenn da nur nicht die Verschandelung der Landschaft wäre. Da kam mir die Karikatur von Ruedi Widmer im Tagesanzeiger in den Sinn, wo einer mit Familie im Stau auf der Autobahn steht und inmitten von Industrieanlagen und Freileitungen die zukünftige Verschandelung durch Windräder und tote Vögel beklagt. Was hat dieses Paradoxon mit uns Architekten zu tun?
Zentrale Grosskraftwerke würden die Landschaft schützen – meinte er weiter – und eigentlich fände er so einen Kühlturm ästhetisch ganz ansprechend. Letzteres ist durchaus nachvollziehbar, so wie man auch eine elegant geschwungene Staumauer im Gebirge erhaben und schön finden kann.
Vor rund 100 Jahren brachte die Industrialisierung eine neue Ästhetik hervor, die sich prägend auf die Architektur und die gebaute Umwelt, respektive Landschaft des 20. Jahrhunderts auswirkte. Le Corbusier nannte die Bewegung bescheiden, pathetisch «Vers une architecture». Schon damals war Licht, Luft und Sonne das Thema, aber eher gedacht als Befreiung von unhaltbaren sozialen und hygienischen Zuständen. Der Widerstand auf allen Ebenen war gross, aber die technologische und im Gefolge die ästhetische Entwicklung war nicht aufzuhalten.
Die Geschichte wiederholt sich nicht und doch lassen sich wiederkehrende Muster erkennen: 100 Jahre später stehen mit Klimawandel, Migration und Ressourcenknappheit ähnlich brisante, aber weltumspannendere Themen zur Debatte. Und erneut ist ein tiefgreifender Wandel der gebauten Umwelt im Gange gegen massive Widerstände – nicht zuletzt verteidigen auch Architekten die letzten Bastionen ihrer Gestaltungsfreiheit gegen die (unvermeidliche) Interdisziplinarität der Nachhaltigkeit.
Augenzwinkernd bezugnehmend spricht Beat Kämpfen von «Vers une architecture solaire». Es braucht ein neues Bewusstsein, um die Verbindung und das Zusammenspiel von Naturkräften und Energiegewinnung nicht nur als notwendiges Übel, sondern als substanziellen und ästhetischen Gewinn zu sehen.
Wenige stören sich an einer elegant geschwungenen Staumauer, an einem Windrad auf Passhöhe in unverbauter Landschaft aber schon. Wasser, Wind und Sonne ergänzen sich jedoch bestens. Noch befinden sich PV-Anlagen vorwiegend auf den Dächern, allmählich steigen sie aber herunter an die Fassaden und machen unsere Gebäude zu «Kraftwerken». Kraft-Werk respektive Werk aus Kraft ist eigentlich ein schöner Name und die Herausforderung es zu gestalten eine spannende Aufgabe.
Wieviel davon darf sichtbar, respektive erkennbar sein? Und wieviel soll sichtbar sein? Dies ist nicht zuletzt auch eine pädagogische Frage. Beruhigend ist, dass die Sonne noch lange scheinen wird, schätzungsweise 14 Milliarden Jahre...
Lesen Sie die Replik zu diesem Beitrag von Stefan Kurath.