17. März 2020
Strom vom Dach gemeinsam genutzt – meine Erfahrungen mit ZEV
Hans Jörg Luchsinger
Partner & Mitglied der Geschäftsleitung, IEU Kommunikation AG
PERSPEKTIVE

Im Januar 2018 wurde das Modell «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch» (ZEV) lanciert. Das Ziel ist klar: Selbst produzierte, erneuerbare Energie kann direkt und gemeinsam mit Nachbarn genutzt werden. So wird das Stromnetz entlastet und es profitieren Mieter und Vermieter von vor Ort erzeugter Energie. Doch wie einfach ist es tatsächlich, als Immobilienbesitzer einen ZEV zu gründen? Durch die Sanierung meiner Immobilie in Pratteln habe ich spannende Antworten auf diese Frage gefunden, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte.

Von 2017 bis 2019 habe ich mein Elternhaus – ein 1908 gebautes Wohnhaus mit Ladengeschäft – saniert und diesen Prozess von der Planung bis zur Vermietung begleitet. Ich habe dabei viele lehrreiche Erfahrungen im Bauprozess gemacht. So ist im Vergleich zu den 90er Jahren der Bau einer Photovoltaikanlage im Dorfkern heute ohne Weiteres realisierbar. Dank der Möglichkeit, das Haus an den Wärmeverbund Pratteln anzuschliessen, kann nun auch die Wärmeversorgung CO2-frei mit erneuerbaren Energien abgedeckt werden.

Der Neubau des Dachgeschosses bot zudem eine ideale Gelegenheit für eine PV-Anlage. Bei der Anlage in Pratteln handelt es sich um ein Indachsystem mit monokristallinen Modulen aus Schweizer Produktion mit einer Oberfläche von 33m2. Dank dem flexiblen System von Solvatec konnte die PV-Anlage problemlos der Dachfläche von 39m2 angepasst werden. Die prognostizierte Leistung beträgt 5.7 KWp und die Solarstromproduktion ca. 6'000kWh/a.

ZEV-Gründung und Koordination von diversen Fachbereichen

Mit dem Bau der PV-Anlage habe ich mich dazu entschieden, einen «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch» (ZEV) zu gründen. Die Installation der notwendigen Messgeräte für Strom, Wasser und Wärme hat dank kompetenten Fachleuten gut funktioniert. Um die Arbeiten abzustimmen, war die Koordination von drei Fachbereichen notwendig: Elektroinstallation, Sanitär- und Heizungstechnik. Diese Koordination übernimmt seit Januar 2020 auch die EBL; als führendes Energieversorgungsunternehmen aus der Region bietet sie einen umfassenden Service an.

Eine Herausforderung stellten für mich die vertraglichen Details für den ZEV dar. Was für Tarife gelten nun genau und wie wird abgerechnet? Was wird wie mit wem vertraglich geregelt? Hier wäre ein erstrebenswertes Ziel aus Sicht des Bauherrn und Investoren, dass alle EVU eine angemessene Beratung zur Umsetzung eines solchen Projekts anbieten und ihre Angebote weiter ausbauen.

Die Vorteile durch die Revision der Energieverordnung

Dank der Revision der Energieverordnung, welche am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, wird die Gründung eines ZEV weiter erleichtert. Denn für ZEV wurde neu festgelegt, “dass für die [...] Obergrenze der internen Kosten, die Mieterinnen und Mietern in Rechnung gestellt werden dürfen, die Kosten für das externe Standardstromprodukt heranzuziehen sind, welches der individuelle ZEV-Teilnehmer beziehen würde, wenn er nicht im ZEV wäre.” (Beitrag energeia, Magazin des Bundesamts für Energie BFE, 18.12.2020) 

So wird mehr finanzielle Sicherheit für die Investoren geschaffen und als Folge steigt die Dichte von Photovoltaikanlagen weiter an. Viele weitere Lücken wurden durch Gesetzesänderungen über die letzten zwei Jahre verbessert. Unter anderem dürfen ZEV neu auch zwischen benachbarten Grundstücken realisiert werden, vorausgesetzt deren Grundeigentümer stimmen zu (hier ein eindrückliches Beispiel aus Rotkreuz, ZG). Dies führt zu Chancen für neue Zusammenschlüsse, was Landwirtschaftsbetriebe, Industriegelände aber auch Wohnquartiere betrifft.

Was jedoch die Netznutzung angeht, können schweizweit weitere Hürden abgebaut werden. Aktuell dürfen zum Beispiel in Quartieren bestehende Verteilnetze der Energieversorger nicht oder nur gegen volle Netzgebühren verwendet werden – ansonsten muss ein eigenes Netz für den ZEV verlegt werden, was in den meisten Fällen wenig Sinn macht. Die Regulation der Anschlussgebühren ist ein Thema, welches es zukünftig anzugehen gilt. Die Politik und die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind weiterhin gefordert, attraktive Lösungen für den Strommarkt zu finden.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Die Gebäudesanierung in Pratteln hat sich definitiv gelohnt und ich würde mich wieder für die Gründung eines ZEV entscheiden. Dadurch konnte ich unter anderem das Bewusstsein zum Eigenverbrauch schärfen – sowohl bei mir selbst als auch bei meinen Mietern.

Obwohl die Regulationen zum ZEV auf den ersten Blick komplex erscheinen, ist es lohnenswert, sich die Zeit dafür zu nehmen. Daher empfehle ich jedem Verwalter und Immobilienbesitzer bei jedem Neu- oder Umbau: Solaranlage auf das Dach und den Strom ins eigene Netz! Nur so gelingt uns eine Energiewende, die allen nützt.



Die Facts zum Umbau in Pratteln (BL)

Baujahr: 1908
Bauzeit: September 2018 - März 2019
Parteien: 2 Wohnparteien, 1 Gewerbefläche, 1 Atelier
Solaranlage Typ: Indachsystem mit monokristallinen Modulen aus Schweizer Produktion.
Dachfläche: 39 m2 
Photovoltaikfläche: 33 m2
Leistung: 5.7 KWp
Solarstromproduktion: ca. 6'000kWh/a
Projektbeschreibung: Umbau Einfamilienhaus mit 2 Wohnungen und Gewerbefläche im Erdgeschoss: Abbruch Dachgeschoss, neue Fundationen, Einbau Liftschacht. Montage von Holzverbunddecken. Dachwohnung mit Galerie in Holzelementbauweise.



Was ist der Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV)?

Eigenverbrauch heisst, dass der selbst produzierte Strom (z.B. von einer Photovoltaikanlage) ohne Umwege direkt selbst genutzt wird. Dabei bleibt der Nutzer weiterhin am Stromnetz angeschlossen. Wenn die PV-Anlage mehr produziert, als verbraucht wird, wird der Überschuss ins Netz eingespeist und der Produzent wird dafür vergütet. Wenn die Produktion der Anlage nicht ausreicht um den Verbrauch zu decken, wird Strom vom Netz bezogen. In einem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch, kurz ZEV, treten Eigentümer und Verwalter sowie Mieter gegenüber dem Netzbetreiber als ein einziger Kunde auf und beziehen alle dasselbe Stromprodukt.

Die Vorteile eines ZEV:

  • Für den Mieter: tiefere Strom- und Nebenkosten, einfacher Zugang zu Solarstrom
  • Für den Vermieter/Eigentümer: Wertsteigerung der Immobilie, attraktive Mietkonditionen

Quelle: www.ebl.ch/de/privatkunden/energiedienstleistungen/eigenverbrauch

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